31.01.20

HFT meets IBA #1: Klimafreundliche Stadtplanung

Hitzeperioden im Sommer, starke Niederschläge im Winter – der Klimawandel bedeutet eine Herausforderung für Städte und Stadtplanung. Im ersten Vortrag der Reihe »HFTmeetsIBA« am 23. Januar ging es um das Jahresthema der IBA’27 »Stadtklima und Grünräume«.

Folgen des Klimawandels für die Region

»Klimaschutz war gestern – wir haben als Gesellschaft den Zug verpasst, um hier wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen. Es geht nun um Klimaanpassungsmaßnahmen, die immer dringlicher werden«, sagte Dr. Steffen Wurzbacher, Geschäftsführer des HFT Forschungsschwerpunktes »Energieeffiziente Gebäude und Nachhaltige Stadtentwicklung«, Initiator der Reihe. Die Folgen: Längere Trockenphasen in der sommerlichen Wachstumsperiode und mehr Starkregen in der winterlichen Ruhephase, Stress für die Vegetation und Mehraufwand für die Pflege der städtischen Grünräume. Erwartet wird auch die Zunahme eher kleinräumiger Überschwemmungen im Bereich der Nebenflüsse des Neckars. Diese haben potenziell zerstörerische Kraft, so die Prognose im Klimaanpassungskonzept der Stadt Stuttgart.

Was kann Stadtplanung gegen Folgen des Klimawandels tun?

Über die Rahmenbedingungen klimagerechter Stadtplanung sprach Dr. Christoph Diepes, Leiter der Stadtplanung der Stadt Hagen. Jede Kommune könne in der Bauleitplanung festlegen, ob sie Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimaanpassung umsetzen möchte, betonte der Stadtplaner. Viele Städte und Gemeinden hätten aber keine konkreten Standards. Diepes empfahl, konkrete Standards für ein gesundes Stadtklima zu setzen.

Gesundes Stadtklima in Stuttgart?

Solche Standards gebe es bereits in der Stadt Stuttgart, zum Beispiel beim Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) und dem Stuttgarter Rahmenplan Halbhöhenlagen, erläuterte Rainer Kapp, Leiter der Stadtklimatologie im Amt für Umweltschutz Stuttgart. In der Bauleitplanung, etwa im Rahmenplan Halbhöhenlagen, habe die Stadt Stuttgart rund 50 Maßnahmen festgelegt, um für Frischluftschneisen und eine abkühlende Infrastruktur zu sorgen. Im Bereich Neckarpark seien Retentionsflächen als Wasserabflussmöglichkeit geschaffen worden. Außerdem wurden autofreie Wege, wasserdurchlässige Beläge, Begrünung von Dächern und Fassaden sowie das Pflanzen von Bäumen planerisch festgelegt.

Der Rahmenplan Halbhöhenlagen lege Wert auf die Durchlüftung des Gebietes mit Kaltluft durch unbebaute Flächen. So hat die Stadt Stuttgart punktuell ein entsprechendes Bauverbot erwirkt. »Wenn man es entsprechend begründet, darf die Kommune bzw. der Gemeinderat dem Stadtklima einen solchen Wert beimessen«, so Kapp. Dies habe ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Kapps Fazit: »Wir haben in Stuttgart schon immer Handlungsbedarf und viel Übung, stadtklimatische Belange in die Planung einzubringen.« Aufgrund der zunehmenden Problematik durch den Klimawandel müsse sich Stuttgart jedoch noch mehr engagieren und besser aufstellen. Wichtig sei, die Politik zu sensibilisieren und die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig durch Beteiligungen mit ins Boot zu nehmen. Ohne den Rückhalt der Bevölkerung, die dann selbst klimagerechte Stadtplanung einfordern

Innovativer Ansatz: Wasserwiederverwendung

Prof. Dr. Sonja Bauer vom Fachgebiet Geodätisches Landmanagement/Amtliches Vermessungswesen der HFT Stuttgart sprach zum Thema Wasserwiederverwendung (Water Reuse). Sie bezog sich vor allem auf das Projekt »Semizentral« , das an der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit Partnern aus China und Deutschland für schnell wachsende urbane Räume entwickelt wurde. In Teilen Chinas werden bereits Abwässer wiederaufbereitet und für spezielle Zwecke wie die Bewässerung von Grünanlagen, das Kühlen industrieller Anlagen, Toilettenspülungen oder die Straßenreinigung verwendet.

Ein Ansatz sei, getrennte Rohrleitungsnetze für Grauwasser (häusliches Abwasser ohne Fäkalien) und Schwarzwasser (Schmutzwasser aus Toiletten) bereitzustellen. Dies biete sich auch für Kreisläufe innerhalb von Stadtgebieten und Industrieanlagen an. So werden etwa in der chinesischen Stadt Qingdao in einem »Ressource- and Recovery-Center (RRC)« Schwarzwasser und Grauwasser getrennt geleitet und aufbereitet. Das Grauwasser wird für die Toilettenspülung der angrenzenden Siedlungen und für die Bewässerung der Grünanlagen verwendet. Das Wassereinspar-Potenzial liege etwa bei 30%, kalkulierte Bauer. Die Beispiele aus Asien könnten ein wichtiger Impuls für die Zukunft unserer Städte sein, betonte die HFT-Professorin. Keine Lösung sei es dagegen bei Dürreperioden Stadtbäume zusätzlich mit Trinkwasser zu gießen, sagte sie.

Visionäres Konzept: Baubotanik

Vorstellungen zur Baubotanik präsentierte Oliver Storz vom Bureau Baubotanik Schwertfeger Storz. Dabei handelt es sich um Mischkonstruktionen aus lebenden Pflanzen und herkömmlichen Bauteilen: Storz zeigte in seiner Präsentation unter anderem Bauwerke, die von Weidenstämme getragen werden und Pflanzen, die zu einer Baukonstruktion verwachsen. Hierdurch sind sie in der Lage, im Laufe der Zeit Trägereigenschaften von Stahl oder Beton zu übernehmen. Die Architekten setzen ihre Projekte in ganz Deutschland um, unter anderem im »Theater Of The Long Now« auf einer Brachfläche am Stuttgarter Nordbahnhof.

Susanne Rytina, Forschungs- und Wissenschaftskommunikation HFT, M4_LAB, susanne.rytina@hft-stuttgart.de

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