Was kommt? Was geht?
Die Weissenhofsiedlung ist die »Großtante« der IBA’27 – so nennt sie unser Intendant Andreas Hofer gern. Vor fast hundert Jahren ereignete sich hier, auf halber Höhe über Stuttgart, eine Kulturrevolution: Das moderne Wohnen wurde grundlegend neu gedacht: mit offenen Grundrissen, neuartigen Bauformen, innovativen Materialien und Bautechniken.
Nur ein Jahr verging zwischen dem Beschluss der Stadt Stuttgart, gemeinsam mit dem Deutschen Werkbund eine Bauausstellung auszurichten, und der Eröffnung der Siedlung im Jahr 1927. Die reine Bauzeit betrug viereinhalb Monate. Man sagt, einige Genehmigungen seien erst nachträglich erteilt worden. Der Mut und die gewisse Hemdsärmeligkeit der damaligen Macher (ja: die Architekten waren alles Männer) zahlten sich aus. Rund 500.000 Besucher:innen kamen, um die radikal neuen Häuser zu sehen. Die Wirkung der Ausstellung reichte gleichwohl weit über den Sommer 1927 hinaus: Hier entstand der moderne Wohnungsbau, der von Stuttgart aus in die Welt ging. Heute ist die Weissenhofsiedlung ein Pilgerort für Architekturinteressierte aus aller Welt – und ein Fixpunkt für viele Stuttgart-Besucher:innen. Zwei der dortigen Häuser, geplant von Le Corbusier, zählen inzwischen zum UNESCO-Welterbe.
Zum 100. Geburtstag unserer Großtante baut die Stadt Stuttgart nun ein neues Besucherzentrum. Das vom Berliner Büro Barkow Leibinger geplante Weissenhof.Forum soll bis Ende 2026 fertiggestellt werden – und ab 2027 als zentrale Anlaufstelle für alle dienen, die die Weissenhofsiedlung entdecken wollen. Das neue Haus wird die Siedlung und das bestehende Weissenhofmuseum im Le-Corbusier-Haus aber nicht nur entlasten. Es wird – als architektonisch eigenständiger Bau – den Ort selbst bereichern. So formulierte es Stuttgarts Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer bei der Eröffnung der Ausstellung »Barkow Leibinger: Weissenhof – in situ« zum IBA’27-Festival.
Vorab hatte Suse Kletzin, Vorsitzende des Vereins Freunde der Weissenhofsiedlung, die Gäste begrüßt. In ihrer sehr persönlichen Einführung in die Ausstellung betonte Architektin Regine Leibinger: Als in Stuttgart geborene und aufgewachsene Planerin sei es für sie etwas ganz Besonderes, auf dem Weissenhof nicht nur eine Ausstellung zu zeigen, sondern auch ein Gebäude realisieren zu dürfen. Ein Grund zur Freude – und, wie sie sagte, »ein klein wenig Heimatstolz«. IBA-Intendant Andreas Hofer wies auf das besondere Vergabeverfahren für den Neubau hin, bei dem sich Architekt:innen gemeinsam mit Bauunternehmen mit umsetzungsreifen Entwürfen beworben haben – ganz im Sinne des Werkbunds, der die Zusammenarbeit zwischen Gestaltern und Industrie in den Mittelpunkt stellte.
Die Ausstellung »Barkow Leibinger: Weissenhof – in situ« in der Weissenhofwerkstatt im Haus Mies van der Rohe zeigt die Pläne des Berliner Architekturbüros und gibt Einblick in die Architektur des künftigen Besuchs- und Informationszentrums. Parallel dazu präsentieren die Freunde der Weissenhofsiedlung im Haus Jung in der Beamtensiedlung die Ausstellung »Zukunft Weissenhof 2027+ – Was bleibt? Was kommt? Was geht?«. Gezeigt werden die Ergebnisse des Wettbewerbs zur neuen Dauerausstellung, Konzepte für den künftigen Rundgang durch die Siedlung sowie Planungen für den geplanten Workshopraum. Der Ort selbst hat historischen Wert: Das Wohnhaus wurde 1928 von Architekt Adolf Gustav Schneck errichtet und liegt direkt gegenüber dem künftigen Bauplatz des Besucherzentrums.
Beide Ausstellungen sind bis 13. Juli 2025 jeweils samstags, sonntags und an Feiertagen von 12 bis 17 Uhr geöffnet.










Tobias Schiller / IBA’27-Team
