Gemeinsame Medieninformation
Die Zukunft wächst aus dem Bestand
Der Architekturwettbewerb für das neue Evangelische Gemeindehaus in Stuttgart-Feuerbach ist entschieden: Am Donnerstag hat das Preisgericht den Entwurf von Joos Keller Architekten (Stuttgart) und dem Karlsruher Büro Curious About in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekturbüro von K aus Ostfildern mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Der prämierte Beitrag überzeugte die Jury mit einer sensiblen Weiterentwicklung des Vorhandenen, konsequenter Nachhaltigkeit und einer klaren Raumstruktur, die den Bedürfnissen der Gemeinde gerecht wird. Der Kirchengemeinderat hat noch am selben Abend beschlossen, das Team mit den weiteren Planungen zu beauftragen. Das Vorhaben ist Teil des Netzwerks der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27).
Die denkmalgeschützte Stadtkirche St. Mauritius in Feuerbach wurde mehrfach erweitert, zuletzt 1971 um ein Gemeindezentrum mit Saal, Küche und Wohnungen. Die heutige Gebäudestruktur wirkt unübersichtlich, wenig einladend – und entspricht nicht mehr den Bedürfnissen der Gemeinde. Seit Anfang 2023 entwickelte die Gemeinde daher gemeinsam mit Fachleuten und Nutzer:innen ein neues Raumkonzept – mit dem Ziel, ein offenes, vielfältig nutzbares Zentrum zu schaffen, das den Anforderungen einer zukunftsfähigen Kirche entspricht. Seit Mitte 2024 begleitet die IBA’27 das Vorhaben fachlich und organisatorisch.
Sensibler Umgang mit dem Bestand
Der nun ausgewählte Entwurf erhält die bauliche Substanz des bestehenden Gemeindehauses in wesentlichen Teilen und ergänzt sie gezielt. Ein bestehender Verbindungsbau wird entfernt, um die denkmalgeschützte Kirche freizustellen. Der Erweiterungsbau von 1971 wird entkernt, das Untergeschoss bleibt vollständig erhalten, von den Obergeschossen die Außenwände. Im Bestandsbau entsteht ein Gemeindesaal mit doppelter Raumhöhe, ein sich daran anschmiegender Neubau in Holz- und Lehmbauweise nimmt Verwaltungs-, Gruppen- und Nebenräume auf.
Eine durchgehende Hülle aus opakem Profilitglas fasst die alten und neuen Bauteile zusammen, schafft zusätzliche, flexibel nutzbare Flächen und verleiht dem Ensemble ein neues Gesicht. So verbindet der Entwurf Alt und Neu zu einem offenen, funktionalen Ganzen – mit natürlichen Materialien, sichtbaren Spuren des Bestands und künstlerischen Elementen, die Geschichte und Gegenwart gestalterisch verbinden.
Würdigung durch das Preisgericht
Die Jury lobte den Entwurf als sehr gelungenen Beitrag zur Weiterentwicklung des Vorhandenen. »Die Arbeit verfolgt konsequent den Gedanken, den Bestand in die Zukunft zu führen«, heißt es in der Beurteilung. Durch die klare und zurückhaltende Gestaltung des neuen Baukörpers bekomme die Kirche ihre stadträumliche Bedeutung für Feuerbach zurück. Besonders gewürdigt wird der sensible Umgang mit dem Bestandsbau: Der Nachhaltigkeitsgedanke präge sämtliche Entwurfsebenen und die Transformation werde als integraler Bestandteil des architektonischen Entwurfs sichtbar. Auch funktional erfülle das Konzept die Bedürfnisse der Gemeinde – mit »unterschiedlichen Raumschichten« für eine Bespielung je nach Anlass. Die Jury lobte zudem das Konzept der vorgelagerten Hülle, die zugleich klimatische, räumliche und gestalterische Funktionen übernimmt.
Zweiphasiges Verfahren mit Beteiligung
Der Wettbewerb wurde als zweiphasiger Einladungswettbewerb durchgeführt. In der ersten Runde entwickelten zehn Architekturbüros erste konzeptionelle Ansätze. Fünf Büros wurden im März 2025 für die zweite Phase ausgewählt, vier reichten vollständige Entwürfe ein. Begleitend zum Verfahren lief ein Beteiligungsprozess. So präsentierten am Vorabend der Jurysitzungen Patinnen die eingereichten Entwürfe vor rund 60 Bürger:innen und Gemeindemitglieder, sammelten Rückmeldungen und brachten das Meinungsbild beratend in das Preisgericht ein.
Die Entscheidung der Jury am Donnerstag fiel einstimmig. Sie vergab zudem zwei dritte Preise: an Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten mit Koeber Landschaftsarchitektur GmbH und str.ucture GmbH sowie an Yonder Architektur und Design mit Peyker Landschaftsarchitektur. Eine Anerkennung ging an schleicher.ragaller architekten.
Stimmen zur Entscheidung
Ina Laux, Vorsitzende des Preisgerichts: »Kooperative Verfahren wie dieses zeigen vorbildlich, dass die zunehmend komplexer werdenden Fragestellungen, die unsere Gesellschaft umtreiben, nur im intensiven Austausch mit allen Beteiligten überzeugend gelöst werden können. Das Siegerprojekt wäre ohne diesen kooperativen Dialog und seine berechtigten Sinnfragen nicht denkbar gewesen. Der Diskurs erzeugt Lernfähigkeit, Lernfähigkeit schafft Relevanz und aus Relevanz entsteht Überzeugung. Und wenn so viele Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven zum gleichen Ergebnis kommen, wird es tragfähig, weil es überzeugende Strategien und relevante Antworten auf die Fragen unserer Zeit liefert.«
Karen Wittmershaus, 1. Vorsitzende des Kirchengemeinderats der Evangelischen Kirchengemeinde Feuerbach: »Wir sind sehr glücklich über das Ergebnis – das zeigt auch das klare Votum des Kirchengemeinderats. Der Entwurf überzeugt uns mit einem starken Konzept: moderne Architektur, im guten Kontrast und zugleich sehr verträglich mit der historischen Kirche. Für unser Gemeindeleben sehen wir eine gute Raumnutzung und eine große Offenheit – genau das, was wir wollen: eine zugängliche Kirche. Auch die konsequente Nachhaltigkeit hat uns beeindruckt. Der gesamte Wettbewerbsprozess mit der IBA war bereichernd: Wir konnten die Gemeinde direkt einbeziehen, haben viele Anregungen erhalten, uns mit Fachleuten ausgetauscht, die Vielfalt der Möglichkeiten gesehen. Jetzt freuen wir uns darauf, gemeinsam mit dem Siegerbüro und allen weiteren Beteiligten einen Ort zu schaffen, der unsere Gemeinde und Feuerbach bereichert.«
Andreas Hofer, Intendant der IBA’27: »Dass man an diesem für Feuerbach so wichtigen Ort, an dem sich unterschiedliche Baustile etwas unglücklich verkanten, an Abriss dachte, ist nachvollziehbar. Umso mehr freue ich mich über das großartige Ergebnis eines von Offenheit und Respekt geprägten Wegs, den die Gemeinde mit der IBA eingeschlagen hat. Der Entwurf verfolgt einen offensiven und respektvollen, sehr zeitgemäßen Umgang mit der gewachsenen Struktur. Er erzählt mit Vorgefundenen eine neue Geschichte: Wesentliche Elemente des Bestands finden ein neues Leben. Der Entwurf ist auf jeder Ebene nachhaltig – hoffentlich sogar ökonomisch. Ich bin überzeugt davon, dass diese Geschichte so gut erzählt ist, dass auch im weiteren Prozess alle Beteiligten mit großem Mut mitziehen – und auch die Behörden Wege finden, dieses starke Projekt zügig möglich zu machen. Damit kommen wir hoffentlich schnell, aber nicht überhastet, zum Bauen – und dann gemeinsam zur Eröffnung.«
Ausstellung
Die Ausstellung aller Wettbewerbsarbeiten in der Stadtkirche St. Mauritius wird am 11. Juli 2025 um 18 Uhr eröffnet. Anschließend sind die Entwürfe samt Modellbildern auf Plakatbannern frei zugänglich auf dem Kirchhof zu sehen – bis zum 12. Oktober 2025. Die Originalpläne und -modelle werden im Saal des Gemeindehauses gezeigt und sind vom 3. August bis 7. September 2025, jeweils sonntags von 11.00 bis 12.30 Uhr, zu sehen.
Quelle: Gemeinsame Medieninformation der Evangelischen Kirchengemeinde Feuerbach
und der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27)