06.02.25

Volles Haus beim IBA-Stammtisch »Gemeinsam statt einsam – Quartiere als soziale Räume«

Einsamkeit ist ein drängendes gesellschaftliches Thema mit weitreichenden gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Trotz seiner Allgegenwärtigkeit bleibt es oft unsichtbar und tabuisiert. Beim IBA-Stammtisch am 5. Februar 2025 stand die Frage im Mittelpunkt, wie sich Quartiere, Nachbarschaften und das Wohnumfeld gegen Einsamkeit wappnen können. Das Kooperationsprojekt »Einsamkeit. Neue Anforderungen an lebendige Quartiere« der Wüstenrot Stiftung mit location³ und Urban Expert untersucht genau diese Herausforderung und entwickelt praxisnahe Lösungen. Wir hatten Petra Potz, Dr. Anja Reichert-Schick und Nils Scheffler vom Projekt eingeladen, mit uns über Einsamkeit zu sprechen. Bei vollem Haus entstand beim Stammtisch an diesem Abend statt Einsamkeit ein Gefühl von Verbundenheit und Interesse für das Thema.

Quartiere als soziale Ökosysteme

Die gebaute Umwelt bietet entscheidende Hebel, um Einsamkeit entgegenzuwirken. Architektur und Stadtplanung allein reichen jedoch nicht aus – es braucht eine ganzheitliche Strategie. Quartiere müssen als soziale Ökosysteme verstanden werden, die Begegnung und Teilhabe ermöglichen. Niedrigschwellige Angebote, wie gemeinsame Frühstücke oder multifunktionale Dritte Orte, fördern soziale Interaktion. Auch genossenschaftliche Modelle können neue Wege aufzeigen, indem sie generationenübergreifende Netzwerke stärken.

Strukturelle Herausforderungen und Lösungsansätze

Eine zentrale Erkenntnis des Stammtischs war, dass Zeitmangel durch durchgetaktete Alltage und berufliche Verpflichtungen soziale Bindungen erschwert. Ehrenamtliches Engagement, das früher selbstverständlich war, benötigt neue Anreize und Strukturen. Professionelle Hilfsangebote können nur begrenzt unterstützen – Eigenverantwortung und nachbarschaftliche Initiative sind gefragt. Hier können Stadtplanung und strategische Quartiersentwicklung ansetzen, etwa durch nachbarschaftlich getragene Initiativen, die selbstverwaltete Räume schaffen. Lebendige Quartiere entstehen nicht allein durch Planung – sie wachsen aus dem Miteinander der Menschen. Ein Beispiel hierfür sind die Maßnahmen der Strategischen Sozialplanung in Stuttgart, die gezielt Angebote gegen Einsamkeit in der Stadt entwickeln und soziale Vernetzung fördern.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und strategische Handlungsfelder

Forschung zeigt, dass Einsamkeit nicht nur auf individuelle Faktoren zurückzuführen ist, sondern stark durch das Wohnumfeld beeinflusst wird. Anonyme, funktionale Quartiere ohne Aufenthaltsqualität können Vereinsamung verstärken, während durchmischte, gut angebundene Stadtteile soziale Interaktion begünstigen. Eine gezielte Quartiersentwicklung muss daher soziale Infrastruktur, Mobilität und Nahversorgung einbeziehen. Niedrigschwellige Treffpunkte, barrierefreie Wege und digitale Vernetzungsmöglichkeiten können helfen, soziale Isolation zu reduzieren. Einsamkeit betrifft dabei alle Altersklassen.

Digitale und lokale Vernetzung

Neben physischen Begegnungsorten spielen digitale Plattformen eine zunehmend wichtige Rolle. Sie können soziale Kontakte erleichtern, Ehrenamtsarbeit unterstützen und Zugang zu lokalen Angeboten schaffen. Dennoch braucht es zugleich analoge Möglichkeiten, um Begegnungen im Quartier zu fördern. Die Verknüpfung digitaler und lokaler Netzwerke ist ein zentraler Ansatz, um Einsamkeit entgegenzuwirken und Quartiere nachhaltig zu beleben.

Ausblick

Der IBA-Stammtisch hat gezeigt, dass Einsamkeit ein vielschichtiges Problem ist, das interdisziplinäre Lösungen erfordert. Stadtplanung, Architektur, Sozialarbeit und digitale Innovationen müssen zusammengedacht werden, um lebendige Quartiere zu schaffen. Entscheidend ist, dass Veränderungen nicht nur auf struktureller Ebene stattfinden, sondern die Menschen vor Ort aktiv eingebunden werden. Einsamkeit zu bekämpfen bedeutet, nachhaltige soziale Räume zu gestalten, die Begegnung, Austausch und Gemeinschaft fördern.

Thea Leisinger / IBA’27-Team

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