05.10.21
Medieninformation

Weltweit erstes adaptives Hochhaus eröffnet

Auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart fand am 5. Oktober 2021 im Beisein der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer die Eröffnungsfeier für das erste adaptive Hochhaus der Welt statt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen hier unter realen Bedingungen im Maßstab 1:1, wie sich Gebäude aktiv an wechselnde Umwelteinflüsse anpassen können. Der Prototyp entsteht im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs 1244 »Adaptive Hüllen und Strukturen für die gebaute Umwelt von morgen« an der Universität Stuttgart. Das Demonstrator-Hochhaus (D1244) wurde außerdem von der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) als IBA-Projekt ausgewählt.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sagt: »Die Universität Stuttgart trägt mit dem Demonstrator-Hochhaus maßgeblich zur Ressourceneinsparung und zur Energieeffizienz im Bauwesen bei. Wir können zurecht stolz darauf sein, auf die dafür notwendige Expertise in der Wissenschaft hier vor Ort in Stuttgart zurückgreifen zu können. Ich bin zutiefst beeindruckt von der Visionskraft, der Zielstrebigkeit und dem Engagement, das sowohl in der Gestaltungsplanung als auch in der baulichen Umsetzung dieses Projekts liegt.«

Prof. Peter Middendorf, Prorektor für Wissens- und Technologietransfer der Universität Stuttgart, betont hoch erfreut: »Das adaptive Hochhaus ist nicht nur das Ergebnis exzellenter Forschung im SFB1244, sondern auch sichtbares Zeichen der interdisziplinären Zusammenarbeit und der engen Verzahnung von Grundlagenforschung und Transfer an der Universität Stuttgart.«

Bis zu 50 Prozent Ersparnis an Ressourcen und Emissionen

Der SFB1244 wurde von Prof. Werner Sobek (Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren, ILEK) 2017 initiiert und seit 2021 von Prof. Oliver Sawodny (Institut für Systemdynamik, ISYS) geleitet. Prof. Lucio Blandini, seit 2020 Leiter des ILEK, erläutert: »Die Forschung an adaptiven Systemen eröffnet einen vielversprechenden Weg zu mehr Ressourceneffizienz und Klimaschutz. Die Einbindung von vielen unterschiedlichen industriellen Partnern bei der Entwicklung adaptiver Trag- und Fassadenelemente ist der beste Beweis, wie Grundlagenforschung und praktische Anwendung sehr eng miteinander verzahnt werden können.« Prof. Oliver Sawodny, der Sprecher des SFB 1244 ergänzt: »Wir konnten zeigen, dass mit der Technologie der Adaptivität in Tragwerken Einsparungen an Ressourcen und Emissionen im Lebenszyklus eines Gebäudes von bis zu 50 Prozent möglich sind.«

Das Hochhaus umfasst zwölf Geschosse bei einer Höhe von ca. 36,50 m und einer Grundfläche von fünf auf fünf Meter. Ein angrenzender Treppenturm sorgt für die vertikale Erschließung inklusive aller Versorgungsleitungen. Das Einzigartige an diesem Hochhaus ist die Integration von aktiven Elementen in die Tragstruktur und in die Fassade. Ein Zusammenspiel aus Sensorik und Aktorik ermöglicht es somit zum Beispiel, die durch den Wind auftretenden Schwingungen im Turm durch ein intelligentes Regelungskonzept auszugleichen. Sensoren erfassen dabei auftretende Verformungen, während Hydraulikaktoren dafür sorgen, dass die Verformungen mittels Gegenkräften im Tragwerk gezielt reduziert werden. Dies dient gleichzeitig auch der Dämpfung von Schwingungen – so kann deutlich leichter gebaut werden, als dies ohne Adaptivität möglich wäre. Initiator Prof. Werner Sobek ist zuversichtlich: »Unsere weltweite Spitzenposition im adaptiven Bauen wird mit diesem Forschungshochhaus weiter gefestigt. Noch nie war Architektur so wandelbar, so veränderlich mit der Zeit wie hier«.

Maximaler Nutzungskomfort bei minimalem Energieaufwand

Die Fassade des Gebäudes besteht zunächst aus einer einlagigen, rezyklierten Membrane. Adaptive Hüllelemente ersetzten diese nach und nach. Diese neuen Fassadenelemente können den Licht- und Energieeintrag in das Gebäude, den Luftaustausch wie auch den Wärmedurchgang aktiv beeinflussen. Ziel ist die Realisierung eines maximalen Nutzungskomforts bei minimalem Energie- und Material-aufwand. Die Gesamtbaukosten belaufen sich auf ca. zwei Millionen Euro.

Für die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBAʼ27) liefert das Forschungsprojekt D1244 wegweisende technologische Impulse für eine ressourcenschonendere Bauweise. »Wenn wir bei wachsender Weltbevölkerung unsere natürlichen Lebensgrundlagen bewahren wollen, können wir nicht weitermachen wie bisher«, sagt Intendant Andreas Hofer. IBAʼ27-Projekte versuchen einen Beitrag dazu zu leisten, dass das Bauen zukünftig nachhaltiger, ökonomischer und sanfter werde. »Leichtbautechniken, die nun beim Demonstrator-Hochhaus erprobt werden, spielen dabei eine herausragende Rolle.« 

An der feierlichen Eröffnungsfeier für das Demonstrator-Hochhaus nahmen rund 100 Gäste teil, darunter wichtige Projektpartner aus Wirtschaft und Industrie. Nach einer kurzen Einführung seitens des Sprechers des Sonderforschungsbereiches, Prof. Oliver Sawodny und des Initiators, Prof. Werner Sobek, hielten die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sowie Prof. Peter Middendorf als Prorektor für Wissens- und Technologietransfer und Prof. Manfred Bischoff als Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Stuttgart kurze Ansprachen. Eine technische Erläuterung des Bauwerks und seiner Besonderheiten gaben Prof. Oliver Sawodny und Prof. Lucio Blandini. Im Anschluss wurde der Demonstrator D1244 feierlich eröffnet und alle Besucher erhielten die Möglichkeit, das Bauwerk selbst zu begehen. Sie konnten die geplanten Fassadenprojekte, den adaptiven Träger, ein Maßstabsmodell sowie den Prototyprahmen vom Tragwerk in Bewegung sehen. Auch gab es eine Augmented-Reality-Präsentation, bei der die Gäste mit ihrer Umgebung und dem D1244 visuell interagieren konnten. In einer Ausstellung präsentierten Doktorand:innen die verschiedenen Forschungsarbeiten des SFB1244. 

Über den Sonderforschungsbereich SFB 1244

Der SFB 1244 an der Universität Stuttgart erforscht, wie angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfender Ressourcen künftig mehr Wohnraum mit weniger Material geschaffen werden kann. Vor dem Hintergrund einer maximalen Einsparung von Material- und Energieverbrauch bei gleichzeitiger Steigerung des Nutzerkomforts erforschen 14 universitäre Institute unterschiedlichster Fachbereiche das Potenzial und die Anwendbarkeit von adaptiven Gebäudehüllen und Strukturen im Bauwesen. Dies umfasst sowohl die Entwicklung einzelner (Bau-)Komponenten als auch deren Einbindung in ein Gesamtsystem. 

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