27.11.23
Zirkuläres Bauen

Pilotprojekt »Kreislaufschließung«

Wie lassen sich Wiederverwendungskonzepte bereits in der Phase Null des Bauens integrieren und welche logistische Infrastruktur muss für das zirkuläre Bauen geschaffen werden? Mit dem vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderten Pilotprojekt »Kreislaufschließung« und in Kooperation mit Partnerunternehmen erprobt die IBA’27 die Schließung von Materialkreisläufen im Bausektor. Teil davon ist der Aufbau einer digitalen Materialdatenbank zur Wiederverwendung von Baumaterialien sowie einer digitalen Wissensplattform, die nicht nur Informationen zum zirkulären Bauen bereitstellen soll, sondern auch das im Aufbau befindliche regionale Netzwerk und bereits vorhandene Vorlagen sichtbar macht.

Die gebaute Umwelt hat einen erheblichen Einfluss auf viele Wirtschaftssektoren, auf lokale Arbeitsplätze und die Lebensqualität. Der Bausektor ist für über 35 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in der EU verantwortlich, die Treibhausgasemissionen aus der Materialgewinnung, der Herstellung von Bauprodukten sowie dem Bau und der Renovierung von Gebäuden werden auf fünf bis zwölf Prozent der gesamten nationalen Treibhausgasemissionen geschätzt. 20 bis 50 Prozent der CO2-Emissionen im Lebenszyklus eines Gebäudes entfallen allein auf die Rohstoffgewinnung, Herstellung, Transport, Bau und Abriss. Zudem geht die Europäische Kommission davon aus, dass 85 bis 95 Prozent der aktuellen Bestandsgebäude in der Europäischen Union auch im Jahr 2050 noch stehen werden. Auf diese Lager zurückzugreifen, ist daher essenziell, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen und unsere Umwelt zu schonen. Diese Fakten waren zusammen mit der Frage, wie zirkuläres Bauen in den IBA’27-Projekten umgesetzt werden kann, Anlass für das Pilotprojekt »Kreislaufschließung«.

Ziele des Projekts

Der Kern des Pilotprojekts ist es, Planen und Bauen zirkulär zu denken und umzusetzen sowie das Potenzial der Wiederverwendung von Materialien anstelle der Wiederverwertung an erste Stelle zu setzen. Zirkuläres Planen und Bauen soll CO2 und Abfall reduzieren, indem Materialkreisläufe nach und nach geschlossen, Material reduziert und direkt wiederverwendet sowie Gebäudeplanungen von Beginn an auf Kreislaufschließung ausgerichtet werden. Wichtig ist es dabei, regional zu denken, um lange Transportwege zu vermeiden. Wenn Material innerhalb der eigenen Region nicht wiederverwendet werden kann, sollten zuerst direkt angrenzende Regionen folgen und erst dann weiter entfernte Regionen in Betracht gezogen werden.

In der Region Stuttgart soll mit dem Projekt zudem ein Netzwerk aus verschiedensten Akteuren entstehen, die an unterschiedlichen Stellen der Kreislaufschließung im Bausektor sowie im Umgang mit dem Bestand aktiv sind. Aus der praktischen Umsetzung könnte so eine Art »regionaler Circular Hub« entstehen, mit digitalen Plattformen für die Wiederverwendung von Baumaterialien und einer Tool-Box mit bewährten Werkzeugen und Techniken. Letztere soll Kommunen wie auch Bauträgerinnen und privaten Eigentümerinnen bei Sanierung, Abbruch oder Neubau helfen.

Stufenweise und gemeinsam zum Ziel

Um sich diesen Zielen nähern zu können, müssen verschiedene Fragen beantwortet werden: Wie können wir eine digitale Infrastruktur zur Erfassung von Gebäudedaten, Erstellen von digitalen Materialpässen und zum Aufbau einer Plattform für Baumaterialien schaffen? Wie generieren wir eine einheitliche Berechnung des Wiederverwertungspotenzials der verbauten Materialien und wie lässt sich dieses Potenzial sinnvoll mit dem Einsatz von recycelten und biobasierten Materialien ergänzen? Wie können die Einhaltung der EU-Vorschriften und die Offenlegungspflichten optimal erleichtert werden?

Für das Projekt hat sich die IBA’27 mit drei Firmen zusammengetan, die sich in der Abfolge der einzelnen Schritte sehr gut ergänzen: Concular (Deutschland), Fibree und Block Materials (Niederlande) arbeiten dabei über Landesgrenzen hinweg und in enger Abstimmung mit dem IBA’27-Team. Gemeinsam sollen die Schritte zur Kreislaufschließung anhand von Pilotgebäuden in den IBA’27-Projekten Postareal Böblingen und Hangweide Kernen erprobt werden. Die Erkenntnisse sollen in Neubauvorhaben in IBA’27-Projekten einfließen. Nach der ersten Erprobung könnten weitere Pilotgebäude hinzukommen.

Erste Meilensteine

Derzeit steht das Projekt am Beginn der dritten Phase. Nachdem sich die erste Phase des Projekts der Erfassung und Inventarisierung verbauter Materialien in den Pilotgebäuden gewidmet hatte, der Analyse benötigter digitaler Strukturen sowie dem Screening und Matching von Materialien und Gebäuden, erfolgte in Phase zwei vor allem die Erstellung eines ersten Mock-ups der digitalen Material- und Wissensplattformen sowie die Öffentlichkeitsarbeit während des IBA’27-Festivals. Mit Geldern aus der Förderung des Umweltministerium Baden-Württemberg ist die erste Betaversion der Materialplattform entstanden, die in Kürze auf der IBA’27-Website zu erreichen ist und weiterentwickelt werden soll.

Bis Ende 2023 folgt die dritte, bis Mitte 2024 die vierte Phase des Projekts. In der dritten Phase geht es zunächst darum, eine regionale Skalierung des Projekts durch den Einbezug weiterer interessierter regionaler Partner und Projekte zu schaffen sowie weitere interessierte Projekte und Partnerinnen zu gewinnen. Außerdem soll die Material- wie auch die Wissensdatenbank ausgebaut und die Kombination aus wiederverwendbaren Materialien, Rezyklaten und biobasierten Materialien bei Neubauplanung und Sanierung einbezogen werden. Außerdem soll eine Urban-Mining-Studie für alle 23 IBA’27-Projekte erstellt werden, mit dem Ziel, den zirkulären Fußabdruck der Projekte bestimmen zu können.

Im nächsten Jahr liegt der Fokus stark auf einer regionalen Strategie in den Themenfeldern Logistik und Infrastruktur, rechtliche Situation, neue zirkuläre Geschäftsmodelle sowie zirkuläres Design. Damit zirkuläres Bauen auch im regionalen Maßstab funktioniert, braucht es eine regionale Basis und mehr Transparenz. Zudem sollen Empfehlungen zum Abbau gesetzlicher Hürden entwickelt werden und zur Frage, wie gesetzliche Spielräume besser genutzt werden können. Außerdem soll das Netzwerk zur weiteren Stärkung einer regionalen zirkulären Bauwirtschaft ausgebaut werden.

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