22.04.21
Genossenschaftlicher Wohnungsbau in Stuttgart-Rot

Preisträger des Planungswettbewerbs für das Quartier »Am Rotweg« stehen fest

Der städtebauliche Realisierungswettbewerb für den geplanten Neubau des Quartiers »Am Rotweg« in Stuttgart-Rot ist entschieden. Ein 27-köpfiges Preisgericht legte unter Begleitung der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) und der Landeshauptstadt Stuttgart am 13. April im Bürgerhaus Rot die Preisträger fest. Als Erstplatzierte gehen aus dem Wettbewerb das Architekturbüro ISSS Research Architecture Urbanism aus Berlin zusammen mit dem Büro für Landschaftsarchitektur topo*grafik aus Marseille hervor. Die Büros EMT Architekten aus Stuttgart und StudioVlayStreeruwitz aus Wien belegen gemeinsam den zweiten Platz und sollen in die weitere Planung und Umsetzung einbezogen werden.

In Stuttgart-Rot sollen ab 2024 auf einem rund zwei Hektar großen Areal in einer bestehenden Siedlung aus der 1950er-Jahren zwischen 250 und 280 Wohneinheiten in unterschiedlichen Wohnungstypen entstehen. Hinzu kommen Flächen für verschiedene gemeinschaftliche und gewerbliche Nutzungen. Mit dem im Dezember 2020 ausgelobten Realisierungswettbewerb suchten Neues Heim – Die Baugenossenschaft eG und die Baugenossenschaft Zuffenhausen eG (BGZ) in Kooperation mit der IBA’27 dafür nach städtebaulichen und architektonischen Perspektiven. Nun hat das Preisgericht in einem unter Corona-Bedingungen höchst anspruchsvollen Hybridformat die einstimmige Entscheidung gefällt: Aus den insgesamt 15 eingereichten Vorschlägen wurde der Entwurf von ISSS Research Architecture Urbanism zusammen mit topo*grafik ausgewählt.

Der Entwurf sieht zehn drei- bis siebengeschossige Gebäude vor, die sich um ein Netz von kleinen Plätzen mit hoher Aufenthaltsqualität gruppieren. Das Herz des Quartiers bildet eine zentrale »Gemeinschaftswiese«, begrünte »Ankerplätze« am Rand schaffen die Verbindung in die umliegenden Nachbarschaften. Die vorhandenen Bäume sollen weitgehend erhalten bleiben. In den Erdgeschossen können gemeinschaftliche und gewerbliche Einrichtungen unterkommen: Läden, Kita, Flächen für mögliche Ateliers, Werkstätten oder Co-Working-Spaces, sowie ein Waschsalon oder eine Quartiersküche. In den Etagen darüber sind unterschiedliche Wohnungen vorgesehen, von Klein- über Familien- bis zu Cluster-Wohnungen. Auf den Dächern der nach dem Entwurf in Holzhybrid-Bauweise errichteten Gebäude könnte es begrünte Dachterrassen für die Bewohnenden geben.

Das Konzept von ISSS sieht vor, das Quartier lokal und nachhaltig mit Energie zu versorgen. Eine Zisterne und naturnahe Versickerungsflächen machen Regenwasser nutzbar und schützen bei Starkregen. Am Rand des Quartiers sieht der Entwurf ein Mobilitätszentrum vor, das Sharing-Angebote, Fahrradwerkstatt und eine Quartiersgarage verbindet. Die heute noch notwendigen Autoabstellplätze in den Obergeschossen können in der Zukunft anderweitig genutzt werden. Angedacht ist außerdem während der Bauphase eine »IBA-Bauhütte«, die die wiederverwertbaren Bauteile der heutigen Gebäude für die Neubebauung nutzbar macht.

Das Preisgericht wählte den Entwurf von ISSS als das beste städtebauliche Konzept für das Quartier aus und lobte insbesondere die Planung der Freiräume. Bei den beiden zweitplatzierten Entwürfen erkannte das Preisgericht besondere Stärken in der Konzeption der Gebäude und Wohnungen: Sowohl EMT Architekten aus Stuttgart als auch StudioVlayStreeruwitz aus Wien machten aus Sicht der Jury sehr überzeugende Vorschläge für diverse Häusertypen mit ausgesprochen vielfältigen Wohnungsangeboten für verschiedene Lebenslagen und Wohnwünsche. Sie empfahl daher, die beiden zweitplatzierten Büros mit der Planung einzelner Gebäude zu beauftragen. Die anstehende Ausarbeitung des städtebaulichen Entwurfs und die Errichtung der Hochbauten soll zudem von einem Beratungsgremium begleitet werden, unter anderem mit Vertreterinnen des Preisgerichts, der Bauherrinnen, der IBA’27 sowie der Landeshauptstadt Stuttgart.

Siegerentwurf hebt sich klar ab

»Wir haben einen klaren ersten Sieger gekürt, der den städtebaulichen Rahmen des Projektes vorgibt. Er und die beiden zweiten Plätze werden in diesem städtebaulichen Rahmen einzelne Gebäude planen. Dadurch soll ein vielfältiges Quartier entstehen«, so Prof. Susanne Dürr, Vizepräsidentin der Architektenkammer Baden-Württemberg und Vorsitzende des Preisgerichts. »Wir haben gemeinsam drei Lösungen gefunden, die hohe Aufenthaltsqualitäten in ihren Außenräumen und den gebauten Räumen versprechen. Die Entwürfe zeichnen sich vor allem durch ihr Freiraumkonzept sowie ihre Dichte und Maßstäblichkeit aus, die sich gut in die Umgebung einfügt. Nicht nur Wohnraum, sondern auch soziale Funktionen finden ihren Platz im neuen Quartier. Die neue vernetzte Quartiersdurchwegung kann damit zum Begegnungsort werden. Zuffenhausen und Stuttgart-Rot werden von den öffentlichen Räumen und den belebten Erdgeschossen des Siegerentwurfs profitieren.«

Rüdiger Maier, Vorstandsvorsitzender des Neuen Heims, betonte, dass sowohl Neues Heim als auch BGZ für Rot wie für die Gesamtstadt ein sehr großes Innovationspotenzial sehen, das von der geplanten Neubebauung ausgehen kann. Es handle sich hier nicht um eine städtische Entwicklungsfläche, sondern um eine genossenschaftliche getragene Entwicklung, die hier im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbes umgesetzt wird. Man müsse sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass der nicht hinreichend sanierungsfähige Bestand der Altobjekte abgerissen werden soll, um darauf entsprechend der Vorgaben zur Innenentwicklung deutlich mehr Wohnraum bei Beibehaltung der Qualität der Freiflächen entstehen zu lassen. Gemeinsames Ziel sei es, das Zusammenleben in den nächsten 50 Jahren mit allen Facetten, wie zum Beispiel bedarfsgerechten Wohnformen, E-Mobilität, Nachhaltigkeit und Resilienz, die eine Möglichkeit des lebenslangen Verbleibs im Quartier ermöglichen, zu schaffen. Gemeinschaft und Begegnung müsse gefördert werden. Maier betonte, dass dabei Kosten und Skaleneffekte nicht missachtet werden dürfen, um weiterhin genossenschaftliche Mieten zu ermöglichen.

IBA’27-Intendant Andreas Hofer sagte: »Alle drei Preisträgerinnen haben sehr vielversprechende und zukunftsfähige Konzepte entwickelt. Die Stärken der drei Entwürfe können sich gut ergänzen. Der erste Platz schafft ein sehr robustes und flexibles Gerüst, in das sich Elemente der beiden Zweitplatzierten gut einfügen lassen. Um das neue Quartier nun konkret zu planen und zu bauen, müssen die beteiligten Büros in einen intensiven Austausch treten – nicht nur untereinander, sondern mit dem Beratungsgremium und den Auftraggeberinnen. Das wird ein anspruchsvoller, gleichzeitig aber sehr vielversprechender Prozess, aus dem ganz neuen Qualitäten für das Quartier erwachsen könnten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass daraus ein wegweisender Beitrag für Stuttgart und die IBA’27 entsteht.«

Dem eigentlichen Wettbewerb vorausgegangen war ein innovatives Auswahlverfahren, bei dem sich Büros weltweit mit ersten Skizzen für eine Teilnahme bewerben konnten. Zusätzlich zu vier vorab gesetzten Büros wurden so elf weitere Teilnehmende ausgewählt. Bis März 2021 hatten die Büros Zeit, ihre Planungsunterlagen und Modelle anonym einzureichen. Betreut wurde der Wettbewerb durch Nixdorf-Consult aus Gerlingen. Zu den Fachpreisrichtern gehörten unter anderem Andreas Hofer, der Stuttgarter Baubürgermeister Peter Pätzold, die Architekten Silvia Carpaneto und Dr. Fred Gresens sowie Kathrin Steimle vom Amt für Stadtplanung und Wohnen. Vertreter der Sachpreisrichter waren unter anderem die Bauherrinnen, Stadträte der Gemeinderatsfraktionen wie auch Bürgervertreter aus Stuttgart-Rot.

Alle Wettbewerbsarbeiten werden online ausgestellt und können unter www.iba27.de/ausstellung-rotweg besichtigt werden.


Informationen zum Wettbewerb

Wettbewerbsart: Nichtoffener städtebaulicher Realisierungswettbewerb mit Hochbauteil mit vorgeschaltetem Skizzenverfahren
Bewerbungen: 108 Skizzenbewerbungen davon elf zur Teilnahme qualifiziert, vier gesetzte Teilnehmende
Größe des Areals: zwei Hektar
Geplante Nutzung: Wohnen (ca. 250-280 WE), soziale, gewerbliche und gemeinschaftliche Nutzungen (inklusive Kita, Flächen für ambulanten Dienst, Kurzzeitpflege, Geschäftsstelle Baugenossenschaft Zuffenhausen eG, Kontaktzonen/Quartiersnutzungen)


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