Bauen als Dienst an der Gesellschaft

Gespräch mit Dr. Albert Dürr, geschäftsführender Gesellschafter bei Wolff & Müller und Dr. Gabriele König, Geschäftsführerin der IBA’27 GmbH

In der zweiten Ausgabe des LinkedIn-Gesprächsformats »Schaufenster Bauwende – der IBA’27 Talk mit der Bauwirtschaft« diskutieren Dr. Gabriele König und Dr. Albert Dürr die Rolle der IBA 2027 für Stuttgart und die Region: Im Ausstellungsjahr 2027 werden von April bis Oktober zahlreiche Formate und Anlässe zeigen, wie Wohnen, Arbeiten und Zusammenleben in Zukunft funktionieren können. Die IBA’27 versteht sich dabei als eine Plattform für Innovation, Dialog und gemeinsames Handeln – mit dem Anspruch, die Bauwende voranzutreiben. Gabriele König bezeichnet die IBA’27 als Lernfeld, das zeigen soll, welche Konzepte es braucht, um Wohnen und Arbeiten neu zu denken.

Praxisbezug und Pilotprojekte

Gabriele König und Albert Dürr verweisen auf konkrete Projekte, die das Spektrum der IBA‘27 prägen sollen: Das Bürogebäude ZERO in Möhringen, das Holzparkhaus in Wendlingen, das adaptive Hochhaus an der Universität in Stuttgart-Vaihingen und die Brücke über den Seeblickweg, an der Wolff & Müller in der Bauphase beteiligt war. Die Brücke wird als Innovationsplattform verstanden, die Stadtteile verbindet und die Carbon-Holz-Verbundbauweise sichtbar macht. Dürr erklärt, dass das Projekt mit Carbonmatten in Verbindung mit Holz neue Maßstäbe setzt und erhebliche CO2-Einsparungen ermögliche: »Es handelt sich um CO2-Einsparungen in namhaften Größenordnungen, die beim Beton um die 70 Kubikmeter liegen. Die CO2-Einsparungen liegen zwischen 25 und 60 Prozent.«

Innovationsdruck vs. Realisierbarkeit

Albert Dürr betont die Balance zwischen Mut zur Innovation und realen Prozessanforderungen: Standardisierte Vergaben erschweren neue Bauweisen; dennoch sieht er eine klare Tendenz in Richtung morgen statt übermorgen. Er ergänzt: »Wir machen das nie für uns allein, sondern wir machen das für die Gesellschaft. Wir machen das für Umwelt, wir machen das für alles, was Menschen so machen.« Die Stadt Stuttgart habe Offenheit und Mut gezeigt, was die Umsetzung innovativer Bauweisen vorantreibt. Aus Sicht der IBA’27-Geschäftsführerin ist die IBA eine Impulsgeberin, die über Architektur hinaus wirtschaftspolitische Impulse setzt und damit auch Ausbildung und Nachwuchs stärker in den Blick nimmt. Sie verweist auf das IBA’27-Projekt »Bildungszentrum Bau« in Geradstetten als wichtiges Element, um junge Menschen in den Berufsfeldern rund um das Bauwesen zu integrieren.

Mut, Lernen und Relevanz für die Gesellschaft

 Gabriele König hebt hervor, dass die IBA mehr sein müsse als Architektur allein: »Wohnen ist ganz wichtig!« Dürr ergänzt, dass Projekte wie der Schulbau in Bad Cannstatt zeigen, wie eine enge Zusammenarbeit zwischen Planung und Bau zu besseren Ergebnissen führt, und hebt die Notwendigkeit hervor, frühzeitig Entscheidungen zu treffen: »Wenn es uns gelingt, möglichst viele Entscheidungen vor der Ausführung zu treffen, würden wir heute schon viel Bezahlbares bauen.«

Wohnen, Kosten und Fördermodelle

Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum adressieren beide direkt: Albert Dürr plädiert für mehr Planungs- und Vorfeldarbeit, BIM-gestützte Zusammenarbeit und Partnerschaftsmodelle, um Qualität und Wirtschaftlichkeit zu verbinden. Er verweist darauf, dass Mitarbeiterwohnen eine sinnvolle Option sei, um Fachkräfte nach Stuttgart zu holen, hält es aber abhängig von Verfügbarkeit und Finanzierung. König betont, dass die IBA nicht nur neue Architekturformen sichtbar machen will, sondern auch den Blick auf soziale und wirtschaftliche Faktoren lenken muss: »Jede und jeder braucht bezahlbaren Wohnraum – und die IBA soll zeigen, wie das gelingen kann.«

Materialwahl und Baukultur

Auf die Frage nach innovativen Baumaterialien antwortet Albert Dürr pragmatisch: Es gehe um Technologieoffenheit und das passende Material für das jeweilige Projekt, nicht um ein starres Bekenntnis zu einzelnen Baustoffen. »Es geht um das richtige Produkt fürs richtige Projekt«, sagt er, und warnt davor, neue Standards dogmatisch zu betrachten, etwa Recyclingbeton, ohne die Details zu prüfen. Gabriele König ergänzt, dass eine frühzeitige Abstimmung und integrierte Planung helfen, Kostenüberschreitungen zu vermeiden und das Bauvorhaben ganzheitlich zu steuern.

Gabriele König und Albert Dürr sind sich einig: Die IBA’27 sollte Erfahrungen und Konzepte zeigen, die auch über Stuttgart und die Region hinaus wirken. Es geht darum, Mut zu zeigen und in eine Vorreiterrolle zu kommen, die die Bauwende weiter forciert.

Herzlichen Dank an Herrn Dr. Dürr für die Teilnahme am Gespräch.

Logo IBA27