»Gebäude müssen wieder atmen können«
Dass die Geschichte der Klimaanlage mit dem Kühlen von Bier begann, war beim vergangenen Field Trip der IBA’27 Friends zu Transsolar Energietechnik eine von mehreren Anekdoten, die Professor Thomas Auer bei der Einführung erzählte. Zusammen mit Christian Frenzel, Geschäftsführer bei Transsolar, gab er einen umfangreichen Einblick, wofür das international tätige Büro steht und welche Haltung es in der aktuellen Architektur- und Klimadiskussion einnimmt.
Zum Einstieg zeigte Thomas Auer, Mitbegründer von Transsolar und Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TU München, das Flatiron Building in Manhattan: Als es um 1900 gebaut wurde, wusste man intuitiv, wie Gebäude funktionieren: öffenbare Fenster, außenliegender Sonnenschutz, natürliche Belüftung. »Architektur hat einmal verstanden, wie man baut, damit ein Gebäude von selbst funktioniert«, erläutert Thomas Auer. Mit der Klimaanlage änderte sich alles – erst skeptisch betrachtet, dann gefeiert als Symbol des Fortschritts. Und mit ihr entstand der »International Style«: gläserne, hermetische Gebäude, weltweit kopiert und völlig abhängig von Energie und Kühlung.
Keine »Thermoskannen« mehr
Seit der Bürogründung 1992 arbeitet Transsolar Energietechnik an Alternativen. Simulationen bilden das Kernwerkzeug, um Aufenthaltsqualität, Energieverbrauch und CO₂-Emissionen zu optimieren. Und der Trend ist eindeutig: Der weltweite Stromverbrauch für Klimaanlagen entspricht heute schon dem von China und Indien zusammen. Viele Gebäude werden zudem weiter als »Thermoskannen«, d.h. weitgehend dicht, gebaut. Thomas Auer hält hier dagegen: »Gebäude müssen wieder atmen dürfen.«
Auf der Architekturbiennale in Venedig zeigt das Team aktuell im Deutschen Pavillon die Folgen unseres Komforts drastisch: 100 aufgehängte Klimageräte, zwölf davon in Betrieb. Die Abwärme erzeugt die Bedingungen, die Venedig 2100 erwarten könnte: 42 Grad Celsius und eine sehr hohe Luftfeuchte. Die Aussage: Komfort hat immer einen Preis – zuerst im Mikroklima, später im globalen Klima.
Ein Schlüsselprojekt der Firmengeschichte war für Transsolar das Hochhaus der Firma Manitoba Hydro in Kanada: klimaadaptive Hüllen, Wintergärten, Doppelfassaden, ein sechsgeschossiger Luftkollektor – und öffenbare Fenster. Trotz seines Erfolgs wurde das Konzept nie kopiert, während andernorts weiterhin gläserne Gebäude ohne Sonnenschutz entstehen. In London gelten ganze Quartiere inzwischen als Sanierungsfälle, weil ihre Energiebilanzen katastrophal ausfallen.
Ein neues Bild von Nachhaltigkeit
Für die Ingenieure ist klar: Es braucht einfachere Gebäude, weniger Technik, mehr Logik. Ein Forschungscluster an der TU München lieferte dazu simple und effektive Ergebnisse: hohe Räume, schmalere Gebäude, weniger Fassadenfläche, monolithische Konstruktionen. Das verbessert das Raumklima und senkt den Energiebedarf. Materialien wie Stampflehm – etwa beim Alnatura-Campus – regulieren zusätzlich Feuchte und Temperatur.
Gemeinsam mit der DGNB entwickelt Transsolar diese Ansätze weiter. »Was Architektur braucht, ist ein neues Bild des Nachhaltigen – eines, das wirklich funktioniert«, erläutert Thomas Auer. Die IBA leistet dazu einen wichtigen Beitrag, indem sie den Blick auf Stadtmorphologie, Material und Mikroklima lenkt. Und manchmal ist die Antwort erstaunlich einfach: Anstatt teurer Fassadenbegrünung hilft oft bodengebundenes Grün – also schlicht: ein Baum.
Als Christian Frenzel im Anschluss exemplarisch einige Projekte wie das IBA’27-Projekt ZERO., das Weissenhof.Forum oder das IBA’27-Netzvorhaben Neckarbädle vorstellte, wurde schnell klar, dass die IBA mit Transsolar hinsichtlich der verfolgten Ziele so etwas wie ein »perfect match« hat.
Beim darauffolgenden Bürorundgang wurde zudem klar, dass auch die eigenen Räume von Transsolar für die Fachplaner:innen eine Art Reallabor sind, denn neuartige Materialen, Wandoberflächen oder Deckeninstallationen werden dort 1:1 getestet. Die gewonnenen Erkenntnisse können später in Projekte einfließen.
Alles in allem ein spannender Abend, der gezeigt hat, dass innovative Energietechnik ein wichtiges Element der Bauwende ist – nicht nur für die IBA’27. Herzlichen Dank, dass wir mit den IBA’27 Friends zu Gast sein durften.





Ursula Hoffmann / IBA’27-Team
